Geschichten aus La Palma, von Rose Marie Gastfreundschaft - Kastration eingeschlossen

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Gastfreundschaft - Kastration eingeschlossen


Keine Angst. Er fuhr nicht weniger intakt wieder ab, als er angekommen war, und da hatte er schon einige Mängel. Es fehlte ihm allerhand. Aber Sie werden sehen. In materieller Hinsicht blieb er jedoch nicht so ganz intakt, denn während er schnell vor dem Abflug vom Flughafen aus noch einmal anrief, um mir zu sagen, ich hätte mich ja nicht so richtig um ihn gekümmert, wurde ihm seine Brieftasche geklaut. Ich fand, das ist ein schöner Beweis dafür, dass Gottes Mühlen immer noch gerecht mahlen, und nicht einmal so langsam, sondern in besonderen Fällen sogar schon nach 14 Tagen. Nach dem Lesen der Geschichte verstehen Sie vielleicht meine Gefühle.

Ich kenne sehr viele nette Pilzler. Wirklich. Ich finde, das ist ein ganz besonderer, sympathischer Menschenschlag. Aber, wie überall, gibt es auch unter ihnen so'ne und solche. Mich hatte es diesmal mit einem 'solchen' erwischt. In meinem recht fortgeschrittenen Alter musste ich nun noch dazulernen, was ich in Zukunft nie wieder tun darf, nämlich unbesehen mit Anstand und guter Erziehung bei einem fremden Mitmenschen zu rechnen, der meine Gastfreundschaft genießen möchte. Man sollte ihn schon etwas kennen. Später sagte er mir einmal, das sei das erste Mal, dass er alleine verreise, und ich fand zu der Zeit schon, das sollte er auch nie wieder tun. Man sollte ihn wirklich nicht allein unter Menschen lassen.

Dieser Mann betrachtete sich ganz clever als 'mein ganz persönlicher Pilzfreund', weil er mein Angebot für diese, mein Gästehäuschen kostenlos zur Verfügung zu haben, nutzen wollte. Abgesehen von ein paar E-Mails kannte ich ihn nicht.

Ich holte ihn vom Flughafen ab, um ihn herzlich willkommen zu heißen und auch, damit er sich nicht verirrt und mir mit dem Leihwagen folgen konnte. Er wollte keinen Leihwagen. Das fing ja gut an. Damit hatte ich nun gar nicht gerechnet. So fuhr i c h ihn also zu einem Supermarkt, wo er sich mit den nötigen Lebensmitteln eindecken konnte, um seinen Kühlschrank zu füllen, denn ich wohne einsam in den Bergen weit ab vom nächsten Kaufmann, von einer Gaststätte ganz zu schweigen. Er guckte ein bisschen rum, wollte aber nichts einkaufen. Was denn, gar nichts? Ich sagte ihm, 14 Tage sind eine lange Zeit, da müsste er doch irgend etwas essen. Er meinte: "Da machen Sie sich man keine Sorgen; ich falle Ihnen nicht zur Last, ich esse alles". Ach, und wo denn? Bei mir? "Was ich allerdings kaufen würde, wäre eine Flasche Wein, wenn Sie sie mit mir zusammen trinken". Auch das noch! Wollte er nun gleich meine Briefmarkensammlung sehen? Oder mir seine zeigen? Dieser mir völlig unbekannte Mann? Ich sagte ihm, ich tränke keinen Wein, ich bekäme davon Kopfschmerzen. Das war die Wahrheit, aber ich kam mir ziemlich dumm und unbedarft vor. Was war schon ein Mensch, der keinen Wein trank und demzufolge auch nichts davon verstand und nicht mitreden konnte. Der zählte doch kaum.

Nun, irgend etwas musste er ja essen, dann wollte ich ihm am ersten Tag auch eine Freude machen und bereitete ihm ein üppiges Empfangsessen mit exotischer Vorspeise, reichlichem Hauptgang, und für die lauwarmen Zimtäpfel zum Nachtisch schlug ich extra noch frische Sahne, damit er keinen Grund zur Klage hatte. Hatte er auch nicht. Er sagte: "Mann, bin ich voll". Dann begleitete er mich entschlossen, wenn auch unaufgefordert ins Obergeschoss zum Fernsehen der Nachrichten. Er ließ sich bequem in den Sessel an meiner Seite sinken, und da saßen wir nun nebeneinander wie ein altes Ehepaar. Schon bald wandte er sich mir zu mit der Frage: "Sind Sie treu? Ich nicht so, und ich bin noch sehr potent". Mir blieb die Luft weg, und er fuhr fort: "Na, Sie sind ja nicht verheiratet, da ist es ja keine Untreue". Ich hatte ihm dann wohl einen derart vernichtenden Blick zugeworfen, dass er erschrocken die Hand, die er mir gerade auf den Schenkel legen wollte, zehn Zentimeter vor dem Ziel in der Schwebe hielt, ein bisschen hin und her machte und sie dann unlustig wieder zurück auf seine Seite nahm, wo sie hingehörte. Ich musste ihm nicht weiter antworten, denn er merkte nun wohl selbst, woran er mit mir war. Er wurde mir nicht sympathischer, im Gegenteil. Er blieb auch nach Beendigung der Nachrichten. "Ich gehe spät ins Bett, so gegen zwölf" informierte er mich, und so musste ich ihm ein paar Stunden meiner kostbaren Arbeitszeit opfern, die ich eigentlich für die Aufarbeitung der letzten Pilzfunde gebraucht hätte. Man muss wissen, wenn auf La Palma nach gutem Regen die Pilze beginnen, kommen sie alle auf einmal, und ich finde täglich so 8 - 10 Arten, die ich noch nicht aufgelistet habe und nun fotografieren, speichern, auf Karteikarte ausdrucken, am Frischpilz beschreiben, mikroskopieren, trocknen und die Exsikkate beschriften, registrieren und ablegen muss. Ich kann nichts für den nächsten Tag lassen, da ich dann ja wieder neue Pilze mit gleichem Arbeitsablauf finde. In diesen Wochen der Hauptsaison koche ich nicht einmal für mich selbst, und nun musste ich es auch noch für diesen Gast tun. Er verstand die Situation wohl ganz richtig, oder auch nicht ganz richtig, denn er sagte: "Sie sind ja gar nicht in der Lage, einen Mann zu versorgen". Diese Mängelrüge kränkte mich natürlich, und leider kam ich - recht schockiert über seine Auffassung meines minderen Wertes als Frau - nicht auf die Idee, ihm zu sagen, dass ich in dieser Krisenzeit selbst gerne von jemand versorgt werden würde. Irgendwie habe ich keine Übung für Gespräche mit so einem Typen und überhaupt keine Verteidigungsstrategie. Als Beispiel, wie ein Mann normalerweise versorgt werden muss, ließ er mich wissen: "Sehen Sie, bei uns ist das Fernsehen netter. Meine Frau kauft jede Menge Kuchen, und ich kann mindestens unter zehn verschiedenen Sorten aussuchen, und natürlich Süßigkeiten und Lakritzbonbons, und Tüten mit Chips und alles, was zum Fernsehen dazu gehört". Und was habe ich darauf geantwortet? Natürlich gar nichts. Meine gute Erziehung kam mir wieder einmal dazwischen, und verbot mir, den Gast zu kränken. Hätte ich aber gerne getan. Sehr gerne. Auch Schlimmeres.

Und er sträubte sich nicht nur, sich etwas zum Essen einzukaufen, er weigerte sich trotz meiner Empfehlung auch weiterhin, einen Leihwagen zu nehmen. Ich sollte ihn immer in den Wald fahren. Und das zwei Wochen lang. Nebenbei kochen, für das ich natürlich auch einkaufen musste, und abends Fernsehen und spät ins Bett. Meine Pilzarbeit lag völlig darnieder.

Leider konnte er mir dabei überhaupt nicht helfen, denn die Pilze seien hier völlig anders, und er könne dazu nichts sagen. So konnte er sich wegen Fehlens jeglicher Gegenleistung auch nachträglich nicht mehr zu meinem 'persönlichen Pilzfreund' mit zugebilligtem Anrecht auf freie Unterkunft entwickeln. Er lernte hier aber eine ganze Menge dazu, denn ich kenne meine Pilze.

Bei unserer ersten Ausfahrt ließ er sein Fenster runter und verstellte den rechten Rückspiegel. "So kann ich aber nichts sehen" protestierte ich sehr schwach. "Das müssen Sie auch nicht, ich will ja was sehen. Ich will beobachten, wie Sie sich im Verkehr verhalten, und da muss ich ja im Auge behalten, was hinter uns los ist". ??? Ach??? "Das mache ich bei meiner Frau auch, wenn sie fährt". Ha-ha-ha, da kam er aber bei mir überhaupt nicht auf seine Kosten, denn hier ist weder hinter einem was los noch vor einem, und ich muss mich auch in keiner Weise im Verkehr verhalten, da der auf der gesamten Waldstrecke nicht stattfindet. Reingefallen!

Auf einem Pilzlertreffen bot er, dieser klebrige Rentner, einigen jungen Frauchen an, sich doch einmal mit ihm zu treffen zwecks gemeinsamer Pilzsuche, wo sie von ihm lernen könnten. Zum Glück war nicht eine daran interessiert, und so blieb es mir erspart, ihn auch noch zu seinem Rendezvous zu fahren.

Einmal kamen wir auf der Tagesfahrt nicht drumrum, eine Mahlzeit in einem Restaurant einzunehmen, für die er in der Küche einen recht schmächtigen Fisch ausgesucht hatte, der für uns zwei geteilt wurde. Ich nahm die kleinere Hälfte. Als ich meinen Teil bezahlen wollte, lud er mich großzügig ein mit der liebenswürdigen Bemerkung: "so kriegen Sie doch einmal etwas Anständiges zu essen".

Da er im Grunde mit nichts zufrieden war, nicht mit dem Wetter, nicht mit den Pilzen, das Fehlen von Fernsehen und Radio im Gästehäuschen monierte, es zu weit zum Kaufmann sei, wenn er sich Bonbons kaufen wollte, und sogar direkte Nachbarn vermisste wie bei seiner Etagenwohnung in Deutschland, Leute, mit denen man jederzeit und ausgiebig tratschen konnte, war es ein ziemlicher Stress für mich, seine täglichen Klagen anzuhören, die meist mit der Vorsilbe Scheiß... begannen. Schlecht gelaunt über diese ganze Misere hatte er auch schon 'Meldung nach Deutschland' gemacht, wie er sich ausdrückte.

Nur einen Morgen begrüßte er mich mit sichtbarer Begeisterung. Fast strahlte ein kleines Leuchten aus seinen sonst immer unlustig blickenden Augen: "Also gestern hätte ich doch beinahe Ihr ganzes Gästehäuschen abgefackelt! Als ich zu Ihnen raufging zum Fernsehen habe ich auf der heißen Ofenplatte die volle Schachtel mit Kaminzündhölzern liegen lassen, und die ist dann später explodiert. Das sah schlimm aus, aber es hatte nichts so richtig Feuer gefangen". --- "Und gucken Sie mal, die Regenjacke, die Sie mir geliehen haben, die hat Ihr Hund zerfetzt! Gestern habe ich sie zum Abtropfen rausgehängt, und heute ist sie kaputt." "Ach ja, und von Ihrem Windsorstuhl ist die Lehne abgebrochen, da habe ich mich wohl zu flott draufgesetzt". Na, nun sah ich doch endlich, womit man diesem Mann eine Freude machen konnte und sah auch ein, dass seine heutige Begeisterung wirklich voll begründet war.

Zum Abschluss gab es noch einmal einen Schrecken, aber auch den überlebte ich, und andere lachen jetzt darüber. Er sagte: "Heute ist ja nun unser letzter Abend, können wir nicht ein Likörchen zusammen trinken?" Was denn, ein Likörchen? Oder mehrere? Und danach, hatte er noch weitere Wünsche? Ich war ja vorgewarnt. Verdattert stotterte ich: "Also, ich kann auch kein Likörchen trinken; auch davon bekomme ich Kopfschmerzen". Und wieder kam ich mir recht unterbemittelt vor. Welch blöde Situation.

Meine Tochter sagte später: "Mama, Du bist überhaupt nicht richtig helle. Du hast Dich die ganze Zeit von dem unterbuttern und Dich täglich von ihm ärgern lassen. Der hat Dir doch die ganze Pilzsaison verdorben. Als er Dich fragte, ob Du nicht ein Likörchen mit ihm trinken könntest, hättest Du antworten sollen 'ja, Eierlikörchen, denn vorher trete ich Ihnen kräftig wo hin".


Likörchen? Auf La Palma trinkt man gerne mistela, meist hausgemachter Orangenlikör


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